Was darunter zu verstehen ist

Der angesehene Ex-US-Notenbankpräsident Paul Volcker (1927 – 2019) stellte 2009 auf einer Konferenz über die Zukunft des Finanzwesens die für die Branche wenig schmeichelhafte Behauptung auf, dass die brauchbarste Innovation in diesem Feld in den letzten Jahrzehnten – sogar die einzig positive – der Bankomat gewesen sei.

Wüsste Volcker um die in Österreich in den letzten Jahren entwickelten, assistierten Zahlsysteme, dann würde er seine Meinung sicher ändern. Während der breite Einsatz ausgereifter, externer Stütz- und Bewegungssysteme (Exoskelette) noch Zukunftsmusik ist, gibt es im Bereich der Handlungsfähigkeit in privaten Geldangelegenheiten in Österreich bereits anwendbare, und teils angewendete, Assistenzlösungen für Menschen, die nicht (mehr) vollumfängliche Kontrolle über ihr Geldleben haben. Neue Kombinationen technischer Möglichkeiten und organisatorisch-rechtlicher Abläufe ergeben gleichsam sozialarbeiterische Exoskelette zur Sicherung aber auch Erweiterung menschlicher Existenz. In die erste Kategorie (Existenzsicherung) gehört das Betreute Konto, mit dem Menschen, die Schwierigkeiten damit haben, Zahlungsprioritäten einzuhalten, dabei geholfen wird, die größten Risken wie Mietrückstände (Delogierungsgefahr) oder offene Energierechnungen (Einstellung des Energiebezugs) zu vermeiden. Zur zweiten Kategorie (Existenzerweiterung) gehört die Assistenz-App, mittels derer in Betreuungskontexten (bspw. für Bettlägerige oder Demente) kleine Geldtransaktionen wie Einkäufe für den täglichen Bedarf durch die Betreuungsperson für die Klientin bzw. den Klienten ohne Bargeld gemacht werden können, wobei die Transaktionen durchgängig automatisch dokumentiert werden. Hilfestellungen, wie Einkäufe für den täglichen Bedarf oder die Abhebung kleinerer Bargeldbeträge vom Konto, werden in professionellen Betreuungskontexten gegenwärtig oft gar nicht angeboten, weil die Bargeldmanipulation an sich, aber auch Dokumentation und Transparenz mühsam und mit Schwierigkeiten verbunden sind. Insbesondere bei Wechseln der Betreuungsperson. Dadurch sind die Betreuten eingeschränkt in der Ausübung ihrer Freiheit, konkret der Freiheit, Bedürfnisse und Wünsche zu realisieren. Viele Menschen sind potentiell betroffen; allein 130.000 Menschen in Österreich haben eine Demenzerkrankung und es werden mehr. Laut Prognose der Ärztekammer Wien sollen es bis 2050 schon 350.000 Menschen sein. [1]

Versuche, das Wesen von Geld zu beschreiben, zu klären, was es denn sei, wo es unter den Dingen der Welt einzuordnen wäre, gab es in der Geschichte schon viele. Ein anderer Weg, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, ist die Frage, womit es den gleichen Bedeutungsumfang hat, mit was es gleichsam synonym ist. Tatsächlich hat niemand geringerer als Goethe das getan, als er Mephisto im Studierzimmer sagen ließ: „Was Henker! Freilich Händ‘ und Füße und Kopf und Hintern, die sind dein! Doch alles, was ich frisch genieße, ist das drum weniger mein? Wenn ich sechs Hengste zahlen kann, sind ihre Kräfte nicht die meine? Ich renne zu und bin ein rechter Mann, als hätt‘ ich vierundzwanzig Beine.“
So gesehen ist Geld wie eine Kraft, die Möglichkeiten und Fähigkeiten vergrößert.

Der technische und organisatorisch-rechtliche Fortschritt eröffnet für Menschen sowohl Möglichkeiten zur Erweiterung ihres Handlungsspielraumes, als auch Möglichkeiten, ihre Existenz zu schützen. John F. Kennedy benutzte öfter die Metapher, dass die steigende Flut alle Boote anhebt. Er wollte damit ausdrücken, dass eine wachsende Wirtschaft mehr Wohlstand für alle bringt. Kennedys Vergleich ausborgend und ein wenig abwandelnd lässt sich sagen, dass im Fall der auf diesen Seiten beschriebenen Lösungen die technologische Entwicklung in den letzten Jahren eine Schwelle überschritten hat, sodass nunmehr auch dem Menschen dienliche Ideen flottgemacht werden können, die bisher am Trockenen lagen.

Die Tätigkeit des Vereins-FAZ soll die Bedeutung solcher Lösungen für die Werte der Sicherheit und der Erweiterung menschlicher Existenz veranschaulichen und von den bisherigen Erfolgen und aber auch von Schwierigkeiten bei ihrer Verbreitung berichten.

[1] https://religion.orf.at/stories/2975691, abgerufen am 13.04.2019

Text: Wolfgang Richter